Langzeitbelichtung beim Fotografieren mit Wasser – ein Tutorial für Fortgeschrittene

Scott AntcliffeReisen und Landschaften13 Juni 20257 Minuten Lesezeit
For Nikon magazine - Long exposure tutorial for water photography

Für magische, seidenglatte Wasserfälle und Flüsse kommt es auf die richtige Ausrüstung und Technik an, sagt der Fotograf Scott Antcliffe

Mit Langzeitbelichtung entstehen diese traumhaften, fast unwirklichen Bilder, bei denen fließendes Wasser wie eine seidig-glatte Fläche erscheint – während die Landschaft ringsum gestochen scharf bleibt. Wasser fotografieren – aber wie? So geht's.

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Das steckt in der Kameratasche

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Hier wollte ich den Eindruck von Geschwindigkeit vermitteln, da das Wasser an dieser Stelle ziemlich schnell war. Ich wollte die Umgebung mit einbeziehen und verwendete den Weg als Leitlinie. Mir gefällt die Brücke als Fokuspunkt. Für dieses Bild wurden keine Filter verwendet. Z9 + NIKKOR Z 14-24mm f/2.8 S, 14 mm, 0,5 s, f/22, ISO 40, ©Scott Antcliffe

Die Komposition ist entscheidend

Bevor ihr über Einstellungen nachdenkt, überlegt euch, wie das Bild aussehen soll. Achtet auf starke Leitlinien, interessante Elemente im Vordergrund (Felsen, Laub, Spiegelungen) und ein Gleichgewicht innerhalb der Szene. Die statischen Elemente im Bildausschnitt sind genauso wichtig wie das fließende Wasser. Probiert verschiedene Perspektiven aus – tief auf dem Boden oder in der Höhe, bewegt euch, bis ihr die beste Komposition gefunden habt.

Behaltet die Stellen im Auge, an denen das Wasser in den Bildausschnitt ein- und austritt, da diese natürliche optische Ankerpunkte bilden können.

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Mit diesem Bild wollte ich noch einmal die Schnelligkeit der Kaskade zeigen. Ich habe die Felsen als Vordergrund genutzt und das Wasser führt den Blick von links nach rechts durch das Bild. Für dieses Bild wurden keine Filter verwendet. Z9 + NIKKOR Z 14-24mm f/2.8 S, 24 mm, 0,6 s, f/22, ISO 40, ©Scott Antcliffe

Einrichtung und Einstellung

Die Grundlage für großartige Langzeitbelichtungen mit Wasser liegt im sorgfältigen Aufbau und in den präzisen Kameraeinstellungen:

1. Stabilität ist das A und O: Jede Bewegung während einer Langzeitbelichtung führt zu einer unerwünschten Unschärfe im gesamten Bild, nicht nur im Wasser. Ein stabiles Stativ ist also unverzichtbar. Achtet darauf, dass alle Beine fest stehen und überlegt euch, vor allem bei Wind, wie ihr es sichert, beispielsweise mit der Kameratasche oder einem speziellen Gewicht. Wenn der Boden uneben ist, sichert das Stativ besonders sorgfältig.

2. Präzision des manuellen Fokus: Autofokussysteme haben bei Langzeitbelichtungen manchmal Probleme mit statischen Motiven, vor allem wenn ihr Neutraldichtefilter (ND) verwendet, die den Sucher abdunkeln können. Schaltet auf manuelle Fokussierung um und fokussiert auf das wichtigste Element im Vordergrund oder auf einen interessanten Punkt. Wenn der Fokus gespeichert ist, achtet darauf, den Fokussierring nicht versehentlich zu verstellen. Wenn ihr den Bildausschnitt neu ausrichtet, vergewissert euch, dass alles scharf ist.

3. Die richtige Blende: Die Langzeitbelichtung wird zwar in erster Linie durch die Belichtungszeit gesteuert, aber auch die Blende spielt eine wichtige Rolle. Bei der Landschaftsfotografie bietet eine mittlere Blende (in der Regel zwischen f/8 und f/16) oft ein gutes Gleichgewicht zwischen Tiefenschärfe und Bildschärfe. Betrachtet die gesamte Szene und passt die Blende entsprechend an. Wenn ihr eine geringe Tiefenschärfe wollt, um ein Element im Vordergrund gegen das unscharfe Wasser abzugrenzen, könnt ihr die Blende weiter öffnen. Beachtet dabei den reduzierten Schärfebereich.

4. Die ISO-Empfindlichkeit: Haltet die ISO-Empfindlichkeit so niedrig wie möglich (in der Regel ISO 100 oder 64, je nach Basis-ISO-Wert der Kamera), um das Rauschen zu minimieren. Da ihr ein Stativ und eventuell ND-Filter verwendet, um die Belichtungszeit zu verlängern, ist es nicht nötig, die ISO-Empfindlichkeit für hellere Bilder zu erhöhen.

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In diesem Bild habe ich das Wasser vom unteren linken in das obere rechte Drittel fließen lassen. Der Baum und die Felsen ganz rechts bilden den Rahmen. Dabei habe ich einen Lee Big Stopper (einen ND-Filter mit 10 Stufen) und einen Lee Zirkular-Polfilter verwendet. Z9 + NIKKOR Z 24-70mm f/2.8 S, 27,5 mm, 30 s, f/11, ISO 125, ©Scott Antcliffe

5. Die richtige Belichtungszeit: Hier findet die Magie statt. Die ideale Belichtungszeit für seidenweiches Wasser hängt von der Geschwindigkeit, dem Volumen des Wasserflusses und der gewünschten Ästhetik ab. Nichts geht über Probieren, aber für schnell fließendes Wasser sind 1/2 bis 2 Sekunden ein guter Ausgangspunkt. Bei Flüssen und sanfteren Fällen würden 2 bis 10 Sekunden den klassischen Milcheffekt erzeugen.

6. Neutraldichtefilter (ND) – eure Belichtungssteuerung: Um lange Belichtungszeiten bei Tageslicht zu erreichen, benötigt ihr einen ND-Filter, oft auch Graufilter genannt. Dieser reduziert die Lichtmenge, die in das Objektiv gelangt. Diese Filter gibt es in verschiedenen Stärken, die durch ihre optische Dichte oder Blendenreduzierung gekennzeichnet sind (z. B. ND4, ND8, ND1000). Je höher die Zahl, desto länger wird die Belichtung. Ich verwende im allgemeinen 6 oder 10 Blendenstufen, um den milchigen, ätherischen Effekt zu erzielen.

7. Belichtungsmessung mit ND-Filter: Bei einem starken ND-Filter hat der eingebaute Belichtungsmesser der Kamera oft Probleme. Messt zuerst die Szene ohne Filter und merkt euch die vorgeschlagene Belichtungszeit. Danach verwendet ihr die Blendenzahl des Filters, um die erforderliche Langzeitbelichtung zu berechnen. Zum Beispiel: Wenn der Belichtungsmesser ohne den 10-Stufen-ND-Filter 1/60 Sekunde empfiehlt, verlängert sich die Belichtungszeit mit Filter auf etwa 10 Sekunden (1/60 -> 1/30 -> 1/15 -> 1/8 -> 1/4 -> 1/2 -> 1 -> 2 -> 4 -> 8 -> 16 – das sind 10 Blendenstufen). Es gibt viele Smartphone-Apps wie Lee Stopper Exposure, Photo Friend, Perfect Exposure und Lightmate, die bei diesen Berechnungen helfen können.

8. Fernauslöser oder Selbstauslöser: Um Verwacklungen durch das Drücken des Auslösers zu vermeiden, könnt ihr einen Fernauslöser, die Nikon SnapBridge-App oder den Selbstauslöser der Kamera (2, 5 oder 10 Sekunden) verwenden.

Unverzichtbares Equipment für Langzeitbelichtung bei Fotos mit Wasser

Neben dem Stativ, den ND-Filtern und dem Fernauslöser habe ich auch ein paar Objektivtücher dabei, wasserdichte Stiefel und Hosen und einen Polfilter. Der Polarisationsfilter ist praktisch, da er die Reflexion auf nassen Felsen reduziert und die Sättigung erhöht. Außerdem reduziert er das Licht, ihr braucht also einen weniger starken ND-Filter oder müsst länger belichten.

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Bei diesem Bild habe ich mich für die milchige Struktur entschieden, wollte aber etwas dichter und tiefer fotografieren, damit man sich wie im Wasser fühlt. Ich finde, die Komposition funktioniert gut mit dem Wasser, das durch die Mitte des Bildes fließt. Dabei habe ich einen Lee Big Stopper (einen ND-Filter mit 10 Stufen) und einen Lee Zirkular-Polfilter verwendet. Z9 + NIKKOR Z 24-70mm f/2.8 S, 49 mm, 30 s, f/11, ISO 400, ©Scott Antcliffe

Feinheiten in der Nachbearbeitung

Auch wenn es das Ziel ist, ein starkes Bild mit der Kamera einzufangen, kann eine durchdachte Nachbearbeitung die Fotos noch verbessern:

  • Grundlegende Einstellungen: Beginnt mit dem Weißabgleich, der Belichtung, dem Kontrast und den Lichtern/Schatten in eurer bevorzugten Bearbeitungssoftware.
  • Scharfzeichnung: Wählt eine selektive Schärfung für die statischen Elemente im Bild, um die Details hervorzuheben. Vermeidet dabei, das unscharfe Wasser zu schärfen.
  • Farbkorrektur und Farbsättigung: Stimmt die Farben ab, um einen natürlichen und ansprechenden Look zu erzielen. Setzt die Farbsättigung nicht zu hoch.
  • Verlaufsfilter und Abwedeln/Nachbelichten: Mit diesen Tools könnt ihr die Belichtung in verschiedenen Teilen des Bildes ausgleichen, indem ihr Details in dunkleren Bereichen hervorhebt oder zu helle Lichter abschwächt.
  • Rauschunterdrückung: Wenn ihr in euren Bildern mit Langzeitbelichtung Rauschen bemerkt (vor allem in dunkleren Bereichen), nehmt eine leichte Rauschreduzierung vor.

Langzeitbelichtungen von Wasser sind unglaublich lohnend – aber sie erfordern ein wenig Geduld und Experimentierfreude. Die Hauptsache ist, dass ihr die Schönheit der Szene einfangt und es genießt, in der Natur zu sein.

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