Die Kunst des Schwenks – eine Fotografie-Masterclass

Ben MooreTechnologie und Know-how04 Juni 20257 Minuten Lesezeit
Ben Moore's images for Nikon magazine

Durch Panning (Schwenken) können wir auch mit gewöhnlichen Objekten fesselnde visuelle Storys erzählen, sagt Street-Fotograf Ben Moore

Mit der Schwenktechnik könnt ihr Bewegung dynamisch einfangen, indem ihr ein Motiv in Bewegung mit der Kamera verfolgt und dabei eine längere Belichtungszeit verwendet. Mit dieser Technik entstehen Bilder, in denen das Motiv relativ scharf bleibt und der Hintergrund unscharf ist. Es entsteht der Eindruck von Geschwindigkeit und schneller Bewegung. Der Effekt isoliert das Motiv, lenkt den Blick auf den wichtigsten Punkt und suggeriert gleichzeitig Bewegung und Energie.

Schwenks mit der Kamera erfordern zwar etwas Übung, dem Motiv flüssig zu folgen und die richtige Balance zwischen Belichtungszeit und Schwenkbewegung zu finden – die Ergebnisse belohnen jedoch den Aufwand.

Ben Moore's images for Nikon magazine
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D810 + NIKKOR AF-S 14-24mm f/2.8G ED. Links/oben: 24 mm, 1/20 s, f/2.8, ISO 400. Rechts/unten: 24 mm, 1/25 s, f/2.8, ISO 400, ©Ben Moore
Vorbereitung:

Das Motiv verfolgen

Bewegt die Kamera horizontal und folgt dabei der Bewegung des Motivs, wenn es vorbeizieht.

Lange Belichtungszeit

Mit einer relativ langen Belichtungszeit (z. B. 1/15 bis 1/30 Sekunde) entsteht Bewegungsunschärfe im Hintergrund.

Scharfes Motiv

Wenn ihr die Kamera gleichmäßig mit dem Motiv mitzieht, bleibt das Motiv relativ scharf, und der Hintergrund verschwimmt durch die Bewegungsunschärfe.

Kameraausrüstung

Nikon Z8

Jede Kamera, bei der die Belichtungszeit manuell eingestellt werden kann und die idealerweise über eine Bildstabilisierung verfügt (in der Kamera oder im Objektiv), ist geeignet. Ich nehme die Nikon Nikon Z8. Eine Kamera mit einer schnellen Serienbildfunktion ist dabei sehr hilfreich – so steigert ihr die Wahrscheinlichkeit für ein perfekt scharfes Bild.

NIKKOR Z 14-24mm f/2.8 S

Mit einer hohen Lichtstärke (f/2.8 oder höher) könnt ihr das Motiv isolieren und den Hintergrund verschwimmen lassen. Das gibt euch mehr Möglichkeiten für die Nachbearbeitung.

PolarPro Peter McKinnon Variable ND Signature Edition II

Ein variabler Neutralgraufilter (VND) reduziert die Lichtmenge, die ins Objektiv fällt. So könnt ihr auch bei hellem Tageslicht längere Belichtungszeiten verwenden. Das ist besonders wichtig für die Panning-Technik. Eine längere Belichtungszeit würde sonst zu einer Überbelichtung führen. Ein variabler ND-Filter hält überschüssiges Licht fern, sodass Bilder nicht überbelichtet werden und Bewegungsunschärfe entstehen kann. Deshalb ist er ein unverzichtbares Tool für alle ambitionierten Fotograf:innen.

Kameraeinstellungen:

Manueller Modus

Im manuellen Modus habt ihr die volle Kontrolle über die wichtigsten Belichtungseinstellungen: Belichtungszeit, Blende und ISO-Empfindlichkeit. Wenn ihr diese manuell einstellt, legt ihr die gewünschte Belichtung fest und stellt sicher, dass sie während der gesamten Aufnahme gleich bleibt.

Im Auto-Modus überprüft die Kamera ständig das verfügbare Licht und passt die Einstellungen entsprechend an. In einer dynamischen Umgebung verändert sich das Licht ständig – zum Beispiel auf einer nächtlichen Straße mit fahrenden Autos. Scheinwerfer, Straßenlaternen und Reflexionen sorgen für ein chaotisches Lichtgemisch. Bei Verwendung der Zeitautomatik passt die Kamera die Belichtungszeit kontinuierlich an, um die gewählte Blende beizubehalten. Das heißt, wenn ein Auto mit hellen Scheinwerfern ins Bild fährt, verkürzt die Kamera die Belichtungszeit und verlängert sie wieder, wenn das Auto weg ist. Das führt zu ungleichmäßiger Belichtung und Bewegungsunschärfe in eurer Serie. Beim Panning ist eine gleichbleibende Belichtungszeit wichtig, um die gewünschte Bewegungsunschärfe zu erzielen. Wenn die Belichtungszeit bei jeder Aufnahme anders ist, werden die Ergebnisse sehr unterschiedlich ausfallen. Das führt zu einem uneinheitlichen Erscheinungsbild.

Ihr könnt eure Einstellungen feinabstimmen, um genau den gewünschten Look zu erzielen. Im manuellen Modus ist alles konsistent – bei Bedarf müsst ihr aber Anpassungen von Hand vornehmen. Wenn ihr merkt, dass eure Bilder über- oder unterbelichtet sind, könnt ihr die Einstellungen schnell anpassen, um das auszugleichen. Diese Kontrolle ist im Auto-Modus einfach nicht möglich. Stellt euch vor, ihr macht nachts eine Panning-Aufnahme von einem Auto. Bei der Zeitautomatik wählt die Kamera vielleicht eine Belichtungszeit von 1/30 Sekunde, wenn das Auto näher kommt, schaltet dann auf 1/125 Sekunde um, wenn die Scheinwerfer die Szene aufhellen, und dann wieder auf 1/30 Sekunde, wenn das Auto wegfährt. Das führt zu ungleichmäßigen Bewegungsunschärfen und ungleichmäßiger Belichtung – die Bilder sind unbrauchbar. Im manuellen Modus könnt ihr eine Belichtungszeit von beispielsweise 1/60 Sekunde festlegen und diese während der gesamten Sequenz beibehalten – und erzielt konsistente und vorhersehbare Ergebnisse.

Autofokus kontinuierliche Einzelfeldsteuerung

Beim Perfektionieren der Panning-Fotografie ist die Verwendung des kontinuierlichen Einzelfeld-Autofokus (AF-C) entscheidend. In diesem Modus kann die Kamera ein Motiv in Bewegung verfolgen und den Fokus beibehalten, während es sich durch das Bild bewegt. Durch die Auswahl eines einzelnen Fokusmessfelds bestimmt ihr genau, wo die Kamera die Schärfe priorisiert, sodass euer Motiv auch bei unscharfem Hintergrund scharf bleibt. Diese Präzision ist entscheidend für scharfe, dynamische Schwenks: Sie verhindert, dass die Kamera den Fokus willkürlich auf den Hintergrund oder andere Elemente in der Szene verlagert. Die konstante Fokussierung auf das Motiv ist die Grundlage für gelungene Panning-Aufnahmen. Die AF-C-Funktion mit einem einzelnen Fokusmessfeld bietet die nötige Zuverlässigkeit für effektives Arbeiten.

Belichtungszeit

Für den gewünschten Effekt werden in der Regel längere Belichtungszeiten von etwa 1/15 bis 1/30 Sekunde verwendet. Die ideale Belichtungszeit hängt jedoch von der Geschwindigkeit und Entfernung des Motivs ab. Den richtigen Wert müsst ihr durch Ausprobieren ermitteln.

Bei wenig Licht ist es eine Herausforderung, die lange Belichtungszeit für Bewegungsunschärfe mit dem Risiko von Kamera-Verwacklung in Einklang zu bringen. Hier muss man einfach experimentieren. Habt keine Angst, die Grenzen auszutesten und probiert auch noch langsamere Geschwindigkeiten aus. Das Zusammenspiel von Bewegungsunschärfe und wenig Licht kann eine spannende Atmosphäre schaffen und gewöhnliche Szenen in etwas ganz Besonderes verwandeln.

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Rechts/oben: Z9 + NIKKOR Z 85mm f/1.8 S, 85 mm, 1/30 s, f/4.5, ISO 100. Links/unten: Z9 + NIKKOR Z 14-24mm f/2.8 S, 14 mm, 1/10 s, f/2.8, ISO 100, ©Ben Moore
Tipps für die Bildkomposition

Bei Panning-Aufnahmen ist die Bildkomposition entscheidend. Hier sind ein paar Tipps, die ihr im Auge behalten solltet.

  • Auch wenn nicht unbedingt erforderlich, ist die Drittelregel oft eine gute Basis. Richtet das Motiv an einem der imaginären Drittel-Schnittpunkte aus.

  • Achtet auf den Hintergrund. Ein aufgeräumter Hintergrund lässt das Motiv besser zur Geltung kommen. Ein Hintergrund mit interessanten Mustern oder Strukturen kann aber auch die Dynamik verstärken (wie auf den Fotos oben).

  • Wo soll sich das Motiv im Bildausschnitt befinden? Wenn ihr vor dem Motiv etwas Platz in Bewegungsrichtung lasst, bringt ihr die Dynamik noch besser zur Geltung. Das gibt dem Motiv sozusagen Bewegungsfreiraum.

  • Elemente im Vordergrund, wie ein unscharfer Ast oder Zaunpfahl, können euren Aufnahmen mehr Tiefe und Kontext verleihen.

  • Umgekehrt ist oft auch die Verwendung von freiem Raum um das Motiv herum sehr effektiv. So hebt ihr die Isolation oder die Geschwindigkeit des Motivs hervor.

  • Das Schwenken geht meistens horizontal (also von links nach rechts oder umgekehrt). Wenn es die Situation erfordert, probiert es auch vertikal aus.

  • Durchziehen: Denkt daran, die Bewegung des Motivs mit der Kamera ein wenig weiter zu verfolgen, nachdem die Aufnahme schon gemacht ist. So bleibt eure Schwenkbewegung gleichmäßig und die Chancen für ein scharfes Bild steigen.

  • Ausprobieren und experimentieren: Übung und Experimentierfreude sind der beste Weg, um bessere Ergebnisse bei Schwenks zu erreichen. Probiert verschiedene Ansätze aus und findet heraus, was am besten funktioniert. Habt keine Angst, die Regeln zu brechen und euren eigenen Stil zu entwickeln.
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Links/oben: Z7 + NIKKOR Z 14-24mm f/2.8 S, 14 mm, 1/15 s, f/2.8, ISO 125. Rechts/unten: D810 + NIKKOR AF-S 14-24mm f/2.8G ED, 24 mm, 1/25 s, f/2.8, ISO 100, ©Ben Moore
Panning-Tricks
  • Die Motivverfolgung ist das Wichtigste in der Panning-Fotografie. Dabei bewegt ihr die Kamera gleichmäßig und synchron mit der Bewegung des Objekts.

  • Bevor das Motiv in das Bild eintritt, müsst ihr seine Richtung vorhersehen. Woher kommt es? Wohin geht es? So könnt ihr eure Position und die Kamerabewegung vorbereiten.

  • Vermeidet ruckartige oder plötzliche Bewegungen. Stellt euch vor, ihr malt ein Bild mit der Kamera. Folgt dabei der Bewegungslinie des Motivs. Dreht den Oberkörper und die Hüften, nicht nur die Handgelenke. Passt die Schwenkgeschwindigkeit an die Geschwindigkeit des Motivs an. Je besser die Übereinstimmung, desto schärfer wird das Motiv.

  • Schwenkt weiter, auch nachdem ihr den Auslöser gedrückt habt. Verfolgt die Bewegung des Motivs auch nach der Aufnahme noch einen Moment weiter. So bleibt die Bewegung flüssig und die Chancen für ein scharfes Ergebnis steigen.

  • Panning braucht Übung. Fangt mit größeren, langsameren Motiven an (Busse oder Züge) und probiert dann langsam schnellere, kleinere Motive aus (Autos oder Fahrräder). Übt das Verfolgen auch, wenn ihr keine Kamera dabei habt – das hilft, ein Gefühl dafür zu entwickeln.

  • Eine stabile Haltung ist wichtig für flüssige Schwenks. Stellt euch mit den Füßen schulterbreit auseinander hin, die Knie leicht gebeugt und den Körper in Bewegungsrichtung des Motivs gedreht. So könnt ihr den Oberkörper ganz locker drehen. Schaut nicht nur auf das Motiv, sondern auch ein bisschen in seine Bewegungsrichtung. So könnt ihr seine Bewegungen besser einschätzen und gleichmäßig schwenken.

  • Wenn ihr diese Techniken übt, entwickelt ihr das nötige Gefühl und die Koordination, um euer Motiv effektiv zu verfolgen. Das Ergebnis sind schärfere Motive und dynamischere Schwenks.

  • Beim Aufnehmen von Bewegungen ist natürlich auch Stabilität wichtig. Verwendet ein Einbeinstativ oder ein Stativ mit Schwenkkopf, der sanftes Schwenken ermöglicht und die Kamera dabei in der Vertikalen stabil hält.

  • Wenn die Schwenkbewegung lang genug ist, könnt ihr möglicherweise den Serienbildmodus verwenden – so könnt ihr mehrere Fotos auf einmal machen und später das beste Bild auswählen.
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Bewegungsunschärfe vor und nach der Bearbeitung. Z9 + NIKKOR Z 14-24mm f/2.8 S, 14 mm, 1/20, f/2.8, ISO 320, ©Ben Moore
Tipps für die Nachbearbeitung

Nachträgliche Bearbeitung kann die Wirkung eurer Panning-Aufnahmen deutlich verbessern. Hier sind ein paar Tipps, um eure Bilder besser zur Geltung zu bringen.

Den Unschärfeeffekt verstärken:

In Photoshop kann der Filter „Bewegungsunschärfe“ sparsam eingesetzt werden, um die vorhandene Unschärfe zu verstärken.

  1. Öffnet das Bild in Adobe Photoshop.

  1. Klickt mit der rechten Maustaste auf die Bildebene und wählt Bild duplizieren aus.

  1. Auf dem duplizierten Bild erscheint eine Ebene, die wir jetzt als Hintergrundebene (unten) verwenden werden. Öffne das Punkt-Entfernungs-Tool und entferne das Motiv. Versucht, das Motiv so sauber wie möglich zu entfernen.

  2. Immer noch auf der Hintergrundebene, klickt auf den Filter-Tab, scrollt runter zur Unschärfe-Galerie und dann rüber zu Pfad-Unschärfe. Gebt mit dem Pfeil die Richtung an, in die der Pfad verlaufen soll, den ihr zum Hintergrund eures Bildes hinzufügen wollt. Jetzt kommt eure Vorstellung von Geschwindigkeit ins Spiel. Ich versuche, die Bilder so realistisch wie möglich zu halten, um Authentizität zu vermitteln, aber das ist natürlich ganz euch überlassen. Wenn alles passt, bestätigt und geht zur nächsten Ebene (dem Motiv) über.

  1. Nachdem das erledigt ist, wechselt ihr in die obere Ebene und fügt eine Luminanzmaske hinzu. Entfernt den Hintergrund mit dem Pinsel-Werkzeug. Setzt den Pinsel auf die Standardfarben und hebt die Maske hervor. Entfernt mit dem Pinsel-Werkzeug den Hintergrund, bis nur noch das Motiv zu sehen ist. Arbeitet möglichst sauber, um die besten Ergebnisse zu erzielen.

  1. Jetzt sollte das Motiv dank des bewegten, unscharfen Hintergrunds schneller wirken. Wenn alles passt, fügt die Ebenen zusammen, speichert und teilt das Bild.

Wichtigste Erkenntnisse
  • Flüssige Bewegungen: Gleichmäßiges Schwenken ist super wichtig, damit das Motiv scharf bleibt.
  • Experimentieren mit Belichtungszeiten: Findet die richtige Balance zwischen einem verschwommenen Hintergrund und einem scharf abgebildeten Motiv.
  • Kontinuierlichen Autofokus (AF-C) verwenden: Damit kann die Kamera das Motiv in Bewegung besser verfolgen.
  • Die richtige Positionierung: Das Motiv sollte sich quer durch euer Sichtfeld bewegen, nicht direkt auf euch zu oder von euch weg.

Panning kann eine Herausforderung sein, die gelernt werden will. Mit etwas Übung lassen sich mit dieser Technik jedoch atemberaubende Bilder erzielen, die Bewegung und Geschwindigkeit einfangen. Mit diesen Tricks könnt ihr Panning-Aufnahmen in fesselnde Bilder verwandeln und die Schönheit der Bewegung zeigen.

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